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Blockade der Festung

Im Jahre 1812 begann Napoleon den Krieg gegen Russland, in dem Preußen und Österreich zwangsweise seine Vebündeten waren. Wilna und Smolensk wurden eingenommen, am 7. Sep­tember die Russen bei Borodino besiegt. Nach der Einnahme von Moskau (15.-20.9.) wurde die Stadt von den Russen in Brand gesteckt. Napoleon musste am 19. Oktober seinen Rückzug aus Russland antreten. Hunger und Frost verursachten bei den Truppen ein furchtbares Elend. Nach dem Übergang über die Beresina im November (26.-28.11.) löste sich das von Napoleon verlassene Heer auf. Am 30. Dezember 1812 schloß dann der preußische General York mit den Russen einen Waffenstillstand, die sogenannte Konvention von Tauroggen.

 

Zur Zeit des Rückzuges der französischen Armee aus Russland war der Brigadegeneral Fournier d' Albe noch Kommandanten Chef; zweiter Kommandant wurde Oberst Guiot; dritter Stabsof­fizier wurde Oberst Dury, Kommandant der Artillerie war Major Mathieu. Die Festung war mit 90 Geschützen versehen. Die ursprüngliche Besatzung bestand außer den nötigen französi­schen Artilleristen und Sappeurens» aus einem einzigen kompletten Infanterie-Bataillon des 129. französischen Linien-Regiments. Im Dezember 1812 warf sich von den aus dem russischen Feldzuge zurückgekehrten Flüchtlingen der französischen Armee ein Teil der Reste des 2. Ar­meekorps schnell nach Küstrin. Er bestand aus den verschiedensten Truppen, nämlich sechs Kompanien Franzosen, zwei Kompanien Schweizer, zwei Kompanien Kroaten und vier Kom­panien Illyriers». Am 23. Februar 1813 wurde die westfälische Brigade unter dem General Füll­graff, 1500 Mann mit zwei Geschützen, der Hauptbestandteil der Festung. Sie versah insbeson­dere den Dienst in den Außenwerken.

 

Am 28. Februar 1813 kam es in Kalisch zu einem Bündnis zwischen Russland und Preußen. Be­reits am 7. März 1813 kam der russische General Helfreich mit seinem Korps von ca. 5000 Mann vor Küstrin an und forderte von dem Kommandanten die Übergabe der Festung. Da sie verwei­gert wurde, ließ General Helfreich nachts die Festung mit seinen Haubitzen beschießen. Das Feuer wurde von den Russen in den folgenden Nächten wiederholt. Es wurden mehr als 20 Häuser stark beschädigt. Den Bewohnern wurde von dem französischen Festungskommandan­ten befohlen, sich entweder auf ein Jahr mit Lebensmitteln zu versehen oder die Festung zu ver­lassen, wozu die meisten genötigt wurden, weil sie die gestellten Bedingungen des Bleibens nicht erfüllen konnten. Um in der Verteidigung nicht beschränkt zu werden, ließ der Festungs­kommandant die Lange und die Kurze Vorstadt sowie den Kietz niederbrennen und untersagte deren Bewohnern, ihren Wohnsitz in der Stadt zu nehmen. Alle verwünschten die Russen und Franzosen.

 

Am 17. März 181352) löste der General Woronzow den General Helfreich ab. Am 14. April wurde Woronzow von General Kapziewitsch abgelöst. Er wollte die Blockade ernster und wirksamer betreiben und ließ sich aus Berlin einen Plan von Küstrin und Umgebung kommen. Aber auch er unternahm nichts gegen die Festung. Er ließ sogar vieles geschehen, was den Feind in den Stand setzte, die Festung länger zu behaupten. Truppenteile der Festung holten nicht nur unge­stört Lebensmittel aus der Umgebung, sondern die Kosaken verkauften auch ganze Herden Schlachtvieh an die Besatzung.

 

Im Juli 1813 löste Generalmajor von Hinrichs mit seinem Korps die russischen Truppen unter General Kapziewitsch ab und übernahm die Blockade der Festung. Das Blockadekorps bestand aus zwei Bataillonen des 3. Neumärkischen Landwehr-Regiments, drei Bataillonen des 1. Ost­preußischen Landwehr-Infanterie-Regiments, zwei Bataillonen des 2. Ostpreußischen Land­wehr-Infanterie-Regiments, zwei Eskadronen des 2. Neumärkischen Landwehr-Cavallerie-Re­giments und aus der Fuß-Batterie Nr. 25. Die Batterie bestand aus sechs Stück kurzen eng­lischen eisernen 6-pfündigen Kanonen und zwei metallenen 5 1/2 zölligen englischen Haubit­zen. Die Mannschaften der Batterie waren vollständig mit englischen Bekleidungen und die Pferde mit englischem Geschirr versehen.

 

Im ganzen kann das Blockadekorps der Landwehr auf6000 bis 7000 Mann angenommen wer­den. Hinzu kamen noch ca. 1600 Landsturmmänner aus dem Küstriner Kreise. Dass das Blocka­dekorps auf sieben Bataillone beschränkt und ihm so wenig Artillerie zugeteilt wurde, kann wohl nur so gedeutet werden, dass keine Belagerung, sondern nur eine notdürftige Einschlie­ßung beabsichtigt wurde.

General Fournier, der französische Festungskommandant, drang wiederholt auf die Lieferung der der Garnison nach dem Waffenstillstandsvertrage (Juni bis August 1813) zukommenden Lebensmittel. Generalmajor von Hinrichs weigerte sich, weil er nicht die nötige Instruktion er­halten habe und es ihm im übrigen selbst und der ganzen Umgebung an Lebensmitteln fehle.

 

Am 17. August 1813 zeigte General von Hinrichs dem General Fournier d'Albe die Aufkündi­gung des Waffenstillstandes mit dem Bemerken an, dass also die Feindseligkeiten nach Ablauf von sechs Tagen beginnen würden. Darauf erfolgten in den folgenden Tagen und Wochen meh­rere Ausfälle der Festungsbesatzung, die aber blutig zurückgeschlagen wurden. Es war ein Feh­ler, dass sich die preußischen Truppen noch an die im Waffenstillstandsabkommen festgelegte Neutralitätslinie gehalten hatten, die weit vor der Festung lag; denn wer sich Küstrins bemäch­tigen wollte, der musste sich vor allem in der Kurzen Vorstadt festsetzen, die aber hatte der fran­zösische Festungskommandant vorsorglich niederbrennen lassen. Er setzte sich auch noch zwi­schen der Festung und der sogenannten Letzten Brücke in der Kurzen Vorstadt fest und ver­schanzte sich hier. Um sich gegen die Ausfälle der Besatzung zu sichern, zerstörten preußische Truppen Ende September 1813 die Brücke. Im Übrigen konnte das Blockadekorps nicht viel un­ternehmen und musste sich darauf beschränken, nur die Zufuhr nach der Festung zu verhin­dern.

 

In der Festung begann es zu krieseln. Krankheiten, besonders Fieber und Skorbut, nahmen zu, unter den französischen und deutschen Befehlshabern kam es zu Uneinigkeit und Misstrauen. Die deutschen Truppenkontingente drangen fast alle auf Entlassung aus der Festung. Nachdem alle Hoffnung zur Entlassung der westfälischen und württembergischen Truppen aus der Fe­stung an der Weigerung des Generals Fournier d' Albe und insbesondere an dem französisch­napoleonischen Sinn des Generals Füllgraff (eines althessischen, sonst tüchtigen Soldaten) ge­scheitert war, beschlossen Oberst Gröben, Kommandeur des 5. Westfälischen Regiments, und Major von Webern vom westfälischen Generalstab, die Festung auf gewaltsamen Wege zu ver­lassen. Major von Webern gelang es, am 1. November 1813 mit den unter seinem Befehl stehen­den deutschen Außentruppen (97 Unteroffiziere und Soldaten) den Festungsbereich nicht ohne Gefahr und Schwierigkeit zu verlassen. Er traf glücklich im Hauptquartier des Generals Hinrichs ein. Fünf Tage später gelang es auch Oberst Gröben für seine Person, unter unzähligen Beschwerlichkeiten und Gefahren aus der Festung zu entkommen.

 

Ende November 181353J erließ Hinrichs auf Befehl Tauentziens an den französischen Komman­danten die Aufforderung zur Übergabe. General Fournier lehnte ab. Anfang Dezember for­derte Hinrichs den westfälischen General Füllgraff auf, mit den ihm untergebenen deutschen Truppen die Festung zu verlassen. Füllgraff sandte diese Papiere durch den Kommandanten unerbrochen zurück und verbat sich jede weitere Korrespondenz. Auf einem eigenhändig unterschriebenen Aufruf des Kurfürsten von Hessen am 2. Januar 1814 an seine in der Festung be­findlichen Untertanen erwiderte General Füllgraff, dass die ehemaligen Untertanen des Kurfür­sten von Hessen durch den Frieden von Tilsit vom 9. Juli 1807 unter das Zepter des Königs von Westfalen-u gekommen wären und ihr jetziger König, dem er und sie Treue geschworen hätten, noch mit dem Kaiser der Franzosen verbündet sei.

 

Den Mitte Februar 1814 gefassten Plan eines Bombardements der Festung gab man auf, da man wusste, dass in der Stadt schon Mangel an Lebensmitteln und eine außerordentliche Vermeh­rung gefährlicher, tödlicher Krankheiten eingetreten war und deshalb durch die Zerstörung der Stadt das Land einen größeren Schaden erleiden würde als durch die etwas verzögerte Ein­nahme der Festung.

50) Sappeur = Soldat für den Sappenbau. Die Sappe ist ein Laufgraben oder Annäherungsgraben der Belagerer im Festungskrieg.

Sappen wurden früher vielfach unter der Deckung von erdgefüllren Schanzkörben. die die sich eingrabenden Mannschaften (Sappeure) vor dem Sappenkopf herwälzen, gebaut.

51) Illyrer, lllyrier = im 19. Jahrhundert wurden die Südslawen in Österreich-Ungarn oft zusammenfassend als Illyrer bezeichnet.

Die hervorragenden illyrischen Truppen. aus denen sich seit Hadrian vor allem die Legionen im Donauraum rekrutierten, spielten während des 3. Jahrhunderts eine entscheidende Rolle. Aus ihren Reihen gingen seit dem Jahre 250 zahlreiche be­deutende römische Herrscher. die illyrischen Kaiser, hervor.

52) Friedrich Wilhelm III. erläßt am 17.3.1813 in Breslau den .,Aufruf an mein Volk". Errichtung der Landwehr und des Land­sturms (10. März Eisernes Kreuz) Siege der Franzosen am 2. 5. bei Groß-Görschen (Lützen) und am 20./21. 5. bei Bautzen. Juni-August Waffenstillstand. Am 12. 8. tritt Österreich dem Bündnis zwischen Russland. Preußen und England bei.

53) Völkerschlacht bei Leipzig, 16._ 18., 19. Oktober 1813. Rückzug Napoleons nach Frankreich. 30./31.10: Auflösung des Rhein­bundes.

54) Königreich von Westfalen unter Jerorne. dem jüngsten Bruder Napoleons.

 

700 Jahr Feier 1932

"Vor 700 Jahren geboren,

Zum Fischerdorf erkoren,

Wuchst Du zur Stadt empor,

Mit Festungswall und Tor.

 

Trotztest der Feinde Jeglichem Stoße,

Es weilte in Dir

Friedrich der Große.

 

So rollten Jahrhunderte Über Dich hin,

Heut bist Du umjubelt,

Du altes, erblühtes Küstrin."