Küstriner Regimenter der alten Armee
Für die Garnisongeschichte ist das Jahr 1860 wichtig. Bei der damaligen preußischen Heeresvermehrung erhielt das am 5. Mai 1860 neuaufgestellte 5. Brandenburgische Infanterie-Regiment Nr. 48 Küstrin als Garnison. Der Regimentsstab, das I. Bataillon und das Füsilier-Bataillon (111. Bataillon) rückten in Küstrin ein, das II. Bataillon kam nach Soldin. Im Jahre 1864 tauschte das II. Bataillon mit dem Füsilier-Bataillon den Standort. Nachdem man im Jahre 1876 eine Kaserne in der Landsberger Straße (Neustadt), Teil der späteren Reichsstraße 1, erbaut hatte, wurde das ganze Regiment in Küstrin vereinigt. Regimentsstab und das I. und II. Bataillon bezogen den Neubau, das III. Bataillon fand in der Schlosskaserne Unterkunft.
Die Hauptfront des in roten Backsteinen aufgeführten Neubaus war zur baumumsäumten Landsberger Straße hin gerichtet, kürzere Seitenflügel verliefen parallel zur Rackelmann- bzw. zur Güterbahnhofstraße. In den großen Blöcken links und rechts vom Hauptportal war je ein Bataillon untergebracht, in den Seitenflügeln befanden sich die Geschäftszimmer für den Regimentsstab und die beiden Bataillonsstäbe sowie Wohnungen für verheiratete Unteroffiziere. Die Bataillonsküchen waren in Kellerräumen untergebracht, besondere Räume zum Essen waren nicht vorhanden. Auf dem Kasernenhof stand die große Exerzierhalle. Hier fanden auch alljährlich die Kontrollversammlungen für die vom Bezirkskommando Küstrin erfassten Reservisten und Landwehrleute statt. Stallungen sowie recht bescheidene Toilettenräume schlossen die andere Hofseite ab, während am Nordrand des Hofes eine Eskaladierwand (drei Meter hoch) stand. Kurz vor dem Ersten Weltkriege kam dann noch ein weiteres Gebäude hinzu: eine kleine Kaserne für die neu aufgestellte Maschinengewehr-Kompanie.
Die langen Flure des großen Gebäudes waren ziemlich nüchtern. Hier traten die Kompanien zum Dienst an, die Post wurde verteilt, vom Kompaniefeldwebel der Dienstplan für den folgenden Tag bekanntgegeben. Und wer beim Turnen aufgefallen war, und zwar durch mangelhafte Leistungen, dem konnte es passieren, dass er abends vom Zugführer noch einmal herausgerufen wurde, um an den auf den Fluren befindlichen Querbäumen Klimmzüge zu üben!
In aller Herrgottsfrühe ließ der Hornist vor dem Hauptportal die Reveille (Weckruf) erklingen. Nicht nur die Männer im „bunten Rock" wurden dadurch unsanft aus dem Schlaf gerissen, auch der ganzen Nachbarschaft ging es so. Abends hörte man zwei Signale. Eine Viertelstunde vor 10 Uhr ertönte ein Signal, dem foldender Text untergeschoben worden war: ,,Soldaten müssen schlafen gehn und nicht so lang bei den Mädchen stehn, zu Bett, zu Bett, zu Bett!" Um 10 Uhr abends folgte die Retraite (Zapfenstreich), das andere Signal, von dem es folgenden Text gibt: ,,Zu Bett, zu Bett, wer eine hat, wer keine hat, muss auch zu Bett, zu Bett, zu Bett, zu Bett."
Das in Küstrin untergebrachte Regiment gehörte zur 9. Infanterie-Brigade, zur 5. Infanterie-Division und zum III. Armeekorps. An der Spitze des Regiments standen u. a. Oberst Tiedemann (erster Kommandeur), Oberst Deichmann (bis Sommer 1906), dann der spätere Divisionskommandeur Oberst von Förster. Letzter Friedens- und erster Kriegskommandeur vom 1. Oktober 1913 bis 24. Dezember 1914 war Oberst Kaupert, am Ende des Ersten Weltkrieges Generalleutnant und Divisionskommandeur.
An seinem ersten Geburtstag als Monarch (27. Januar 1889) verlieh Kaiser Wilhelm II. dem Regiment den Namen „von Stülpnagel". General der Infanterie Wolf Louis Anton Ferdinand von Stülpnagel (1813-85) war bis zu seinem Tode im Jahre 1885 der erste Chef des Regiments gewesen. In dem Schreiben Kaiser Wilhelms II. vom 27. Januar 1889 heißt es: ,,Ich will das Andenken an den General der Infanterie von Stülpnagel und seine besonders im Feldzug 1870/71 in den Schlachten von Vionville, Mars-la-tour und Beaune Ja Rolande hervorgetretene Verdienstlichkeit dadurch ehren, dass ich dem Regiment, an dessen Spitze ihn mein in Gott ruhender Herr Großvater, des Kaisers und Königs Wilhelm I. Majestät, gestellt hatte, seinen Namen verleihe. Ich bestimme daher, dass das Brandenburgische Infanterie-Regiment Nr. 48 in Zukunft die Benennung „Infanterie-Regiment von Stülpnagel (5. Brandenburgisches) Nr. 48" führt. Das Regiment wird in diesem Beweis meiner Gnade eine Anerkennung seiner Tapferkeit und vorwurfsfreien Haltung und einen Ansporn erblicken, mir in Zukunft mit gleicher Treue und Hingebung weiter zu dienen. gez. Wilhelm R."
Nach längerer Unterbrechung bekam das Regiment zu Anfang des 20. Jahrhundertswiedereinen Chef. Es war der Erzherzog Friedrich von Österreich, der im September 1906 anlässlich des in der Nähe von Liegnitz (Schlesien) stattfindenden Kaisermanövers das Regiment unter Oberst von Förster in Paradeaufstellung besichtigte.
Zwei Kompanien des damals im Schloss untergebrachten III. Bataillons der 48er haben übrigens im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts den höchsten Schießpreis des alten preußischen Heeres erworben, den „Kaiserpreis." Es waren die 11. Kompanie unter Hauptmann Krähe (Teilnehmer des Ostasienfeldzuges, später Generalleutnant in der Reichswehr) und die 12. Kompanie unter Hauptmann Redlich.
Im Mai 1910 feierte das Regiment unter großer Anteilnahme der Küstriner Bevölkerung sein 50jähriges Bestehen. Bei der Jubiläumsparade auf dem Marktplatz gab es stürmischen Beifall, als sich der 80jährige Oberst a. D. von Mellenthin an die Spitze der 8. Kompanie setzte und an dem Regimentskommandeur vorbeidefilierte. Mellenthin hatte als Hauptmann und Kompaniechef der 8. Kompanie 1864 den Übergang nach Alsen erzwungen.
Zur Popularität des Regiments trug besonders seine Musik bei: Die Regimentsmusik und die Tambourkorps, die „Knüppelmusik" der Bataillone. Ihre Leiter waren beliebt und angesehen. Höhepunkte ihres Auftretens waren der Fackelzug am Abend vor Kaisers Geburtstag, der im ,,Großen Zapfenstreich" endete, und die Reveille am Neujahrsmorgen, die - im Schlenderschritte pendelnd - einen Choral und „Freut euch des Lebens" spielte und die noch müde und erschöpft im Silvesterschlummer Liegenden fröhlich weckte. Ebenso beliebt waren die Konzerte im Aßmyschen Gesellschaftshaus und die Sonntags-Promenadenkonzerte auf dem Moltkeplatz. Von der Beliebtheit der Küstriner Infanteriekapelle und ihren vorzüglichen Leistungen zeugten auch die Konzerte, die regelmäßig in den „Zelten" und anderen großen Berliner Lokalen gegeben wurden.
An der Spitze der Regimentskapelle stand der Königliche Musikdirigent Rudolf Piefke (1835-1900). Er hat die Kapelle von der Gründung des Regiments im Jahre 1860 bis zum Jahre 1900, also rund 40 Jahre, geleitet und ist Komponist verschiedener Militärmärsche. Um die Förderung des Musiklebens in der Garnison hat er sich sehr bemüht und Abonnementskonzerte im Aßmyschen Gesellschaftshaus gegeben, die auch von seinen Nachfolgern, Stabshoboist Franz Kloß und Obermusikmeister Otto Ebert, fortgeführt wurden. ,,Unter den alten Kapellmeistern des deutschen Heeres," so schrieb im Jahre 1938 der jahrelang unter Piefke der Kapelle als Hoboist angehörende Edmund Schlüter, ,,steht mit in vorderster Reihe der Königliche Musikdirigent Rudolf Piefke. Er ist zwar weniger bekannt geworden als sein 20 Jahre älterer Bruder Gottfried, er war jedoch theoretisch und kompositorisch nicht minder begabt. Seine zahlreichen Märsche „Deutscher Siegesmarsch", ,,Vorwärts", ,,Fehmarnsund" wurden von den Musikkorps des III. Armeekorps viel gespielt. Bei den Generalen der alten Armee stand Piefke in hohem Ansehen, bei allen Besichtigungen seitens der Brigade-, Divisions- und Korpskommandeure wurde Piefke immer zuerst begrüßt. Als der Küstriner Musikdirigent im Frühjahr 1900 erkrankte, wurde schon zu seinen Lebzeiten ein Nachfolger in der Person des Hoboisten Franz Kloß vom Leibregiment Nr. 8 in Frankfurt a.d.O. berufen, da das Regiment seine Herbstübung in der Nähe von Berlin abhielt und dabei vom Kaiser besichtigt werden sollte. Das Musikkorps hatte also im Herbst 1900 zwei etatsmäßige Kapellmeister. Das ging unserem alten Herrn doch sehr nahe, so dass er seelisch stark darunter litt. Am 24. November 1900 marschierten wir an seiner Wohnung vorbei und bliesen ihm zu Ehren seinen „Fehmarnsundmarsch". Das muss ihn innerlich so erregt haben, dass er einen Schlaganfall erlitt und noch am gleichen Tage starb. Seine Beisetzung auf dem Garnisonfriedhof in Küstrin erfolgte mit großen militärischen Ehren durch eine Trauerparade der ganzen Garnison. Mit Rudolf Piefke ging einer der alten, bewährten und berühmten Kapellmeister der alten ruhmreichen Armee aus der Welt."
Sein Bruder Gottfried Piefke (1815-84) ist als Königlicher Musikdirektor beim Leib-GrenadierRegiment Nr. 8 in Frankfurt/Oder, dessen Füsilier-Bataillon von 1827 bis 1848 und dessen II. Bataillon von 1848 bis 1860 mit kurzer Unterbrechung in Küstrin gelegen hatten, durch seinen „Düppeler Schanzenmarsch" und „Preußens Gloria" weit über die deutschen Grenzen hinaus bekannt geworden. Er bat annähernd 60 Märsche komponiert, von denen nicht weniger als zehn in das Verzeichnis der Armeemärsche aufgenommen worden sind. Beim Sturm auf die Düppeler Schanzen am 18. April 1864 intonierten die Musikkorps des Leib-Grenadier-Regiments Nr. 8, des 1. Posenschen Infanterie-Regiments Nr. 18, des Brandenburgischen Füsilier-Regiments Nr. 35 und des 7. Brandenburgischen Infanterie-Regiments Nr. 60 unter seiner Leitung den Yorkschen Marsch, danach den von ihm komponierten Sturmmarsch, den „DüppelMarsch." Diese Begebenheit ist auch in die Literatur eingegangen. Theodor Fontane, der 1896 verstorbene Dichter der Mark, hat das Geschehen in einem Gedicht festgehalten, dem er den Titel „Der Tag von Düppel" gegeben hat und das mit den Worten ausklingt:
„Vorwärts!" donnert der Dirigent Kapellmeister Piefke vom Leibregiment, und „Vorwärts" spielt die Musika, und „Vorwärts" klingt der Preußen Hurra!"
Am 20. April 1865 wurde Gottfried Piefke zum Königlichen Musikdirektor des III. Preußischen Armeekorps ernannt, ein Posten, den nach seinem Tode niemand mehr bekleidet hat.
Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1914-18) blieb die Stadt mit „ihrem" Regiment eng verbunden. Dann hörte es auf zu bestehen. Noch heute aber steht auf den Spicherer Höben das Denkmal der 48er, das an die Schlacht von Spichern am 6. August 1870 erinnert, in der preußische Regimenter in der Augusthitze unter dem Feuer der oben verschanzten Franzosen - General von Francois (auch er fiel) und die Offiziere mit gezogenem Degen ihren Soldaten voran - die Spicherer Höben verlustreich erstürmten. 4000 Deutsche und 5000 Franzosen fielen. Auf den Tafeln am Denkmal stehen die Namen der Schlachten und Gefechte, an denen das Regiment teilgenommen hatte, sowie die Namen der Gefallenen. Als Ortsnamen finden wir Spiehern, Fort Vionville, Montbarrois, Bellevue, Metz-Woippy, Mazange und Le Mans verzeichnet. Spichern kostete das Regiment 160 Tote; unter den Namen der Toten viele der bekannten Küstriner Familien.
Und noch eines Denkmals gilt es sich zu erinnern. Im Küstriner Stadtwald befand sich das Gitchiner Denkmal. Es war ein schlichter Gedenkstein, der die Inschrift trug: ,,Zur Erinnerung an die Schlacht bei Gitschin den 29. Juni 1866, bei welcher das Füsilier-Btl. 5. Brdbg. Inf.-Regts 48 die Feuertaufe erhalten." Ob es wohl heute auch noch wie das Denkmal auf den Spicherer Höhen vom Küstriner Infanterie-Regiment Nr. 48 künden darf?
In der stattlichen 48er-Kaserne war nach dem unglücklichen Ausgang des Ersten Weltkrieges neben anderen Behörden auch das Finanzamt untergebracht. Das Portal war innen mit großen Tafeln ausgestattet, auf denen die Gefallenen des Infanterie-Regiments Nr. 48, kompanieweise geordnet, aus den Kriegen 1864, 1866 und 1870/71 verzeichnet waren. Nun stand da eines Tages eine Besucherin vom Lande und musterte diese Gedenktafeln. Auf die Frage eines Finanzamtsangehörigen, der zufällig vorbeikam, ob sie wen oder was suche, entgegnete sie: ,,Ja, ich suche das Finanzamt, aber hier sind ja nur lauter tote Soldaten."
Im Jahre 1899 wurde aus Teilen des Feldartillerie-Regiments Nr. 18, Generalfeldzeugmeister, in Frankfurt/Oder das mit diesem zur 5. Feldartillerie-Brigade vereinigte Neumärkische Feldartillerie-Regiment Nr. 54 gebildet, das die Festung an Oder und Warthe als Garnison erhielt. Der Regimentsstab und die I. Abteilung rückten in Küstrin ein, die II. Abteilung kam nach Landsberg/Warthe. Erster Regimentskommandeur war Oberstleutnant von Noeldechen, letzter Kommandeur vor dem Ersten Weltkriege war Generalmajor Nessel.
Die von der Garde-Fußartillerie bis zu ihrem Abzug im Jahre 1898 benutzten Unterkunftsräume an der Kietzer Pforte und in der Kommandantenstraße erfüllten ihren Zweck nicht mehr. Im Jahre 1902 (1903 ?) ging man deshalb daran, eine neue Kaserne für die Artillerie am Altstadt-Bahnhof zu erbauen, die zwei Jahre später bezogen werden konnte. Das schöne geschmiedete Eisengitter, das die Kaserne später umzäunte, wurde von Schlossermeister Gustav Thiele aus Luckenwalde gefertigt.
Dicht am „Reichsgarten" lag der sogenannte Richtwall der 54er Artilleristen. Dort wurden die Kanoniere in die Geheimnisse des Schießens aus verdeckter Stellung mit Richtkreis und Magnetnadel eingeweiht. ,,Pro Gloria et Patria" war auf dem vorderen Mantelring der vor dem und im Ersten Weltkriege gebräuchlichen Feldgeschütze eingraviert.
Die Führung des Trompeterkorps des neugegründeten Neumärkischen Feldartillerie-Regiments Nr. 54 übernahm Obermusikmeister Hermann Thrams (1865-1941). Die Küstriner eilten herbei oder schauten aus den Fenstern, wenn die Batterien der 54er durch die Straßen ratterten. Voran zu Pferd Obermusikmeister Thrams mit seinem schmucken Trompeterkorps, muntere Armee- und Reitermärsche spielend. Lange Jahre hindurch hat diese Militärkapelle regelmäßig die Altstädter an den Mittwochnachmittagen im „Reichsgarten" erfreut, und auch in den Nachbarstädten Landsberg/Warthe und Soldin war sie ein gern gesehener Gast. Während des Krieges 1914-18 ritten alle Trompeter des in der Küstriner Garnison neu gebildeten Reserve-Trompeterkorps stolze Schimmel, im Volksmund die „Schimmel-Kapelle" genannt. Obermusikmeister Thrams, der an der Aisne schwer verwundet worden war und wieder in Küstrin Dienst tat, ritt einen schmucken Apfelschimmel, der aus dem Cirkus Krone in Berlin zur Truppe „eingezogen" worden war.
Nach 1918 musste Obermusikmeister Thrams wegen Verminderung des Heeres und nach Auflösung des Regiments seinen Abschied nehmen. Er bildete nun Musikschüler aus. Zum „Oderlied" seines Sohnes Hermann schrieb er die Musik. Im Jahre 1941 starb er in Küstrin. Musikmeister Görike vom alten Trompeterkorps der 54er blies dem toten Obermusikmeister zum Abschied am offenen Grab im Küstriner Stadtwald auf der Signaltrompete den Zapfenstreich der berittenen Truppen.
Im Jahre 1913 wurde die Garnison abermals verstärkt. Im Zuge der Heeresvermehrung kam das 2. Brandenburgische Pionier-Bataillon Nr. 28 unter seinem Kommandeur Major Scheunemann in die Stadt der Brücken, die aus dem Wettlauf mit Landsberg/Warthe und Crossen/Oder als Sieger hervorgegangen war. Das Bataillon erhielt die neu erbaute Kaserne in der Warnicker Straße (Neustadt), dicht an der Grenze zum Nachbardorf Warnick. Da bis zum 1. Oktober 1913 nicht alles fertiggestellt werden konnte, musste ein großer Teil des Bataillons sich zunächst mit den Baracken auf dem Pionierlandübungsplatz begnügen. Erst ein halbes Jahr später konnten alle Kompanien in der Kaserne vereinigt werden.
Die Kapelle des Pionier-Bataillons wurde von Musikmeister Tumforde geleistet. Er gab seine Abonnementskonzerte im Saal des Hohenzollernrestaurants. Das für Freitagabend, den 31. Juli 1914, vorgesehene Konzert musste ausfallen: mittags war der Kriegszustand verkündet worden.
Außer den oben aufgeführten Truppenteilen befanden sich in Küstrin Kommandantur, Bezirkskommando, Hauptmeldeamt, Fortifikation, Artilleriedepot, Evangelisches Divisions-Pfarramt der 5. Division, Garnisonlazarett, Garnisonverwaltung, Militär-Bauamt und Proviantamt.
Während des Ersten Weltkrieges waren alle Küstriner Truppen im Feld. Die Stadt selbst glich einem riesigen Heerlager. Die Kasernen waren überfüllt, die riesigen Kasematten des Hohen Kavaliers mussten zur Unterbringung von Truppen dienen, zeitweise waren auch einige Säle für Quartierzwecke beschlagnahmt. Das 1876/78 in der Warnicker Straße (Neustadt) erbaute Garnisonlazarett - von 1769 bis 1875 befand sich das Lazarett in der Altstadt Nr. 161/162 - reichte nur für die Friedensgarnison aus. Nunmehr wurden die Knabenmittelschule an der Oderbrücke und die Knabenschule am Schützenplatz als Reservelazarette eingerichtet. Außerdem wurden im Hintergelände der Warnicker Straße zahlreiche Lazarettbaracken errichtet. Die Hauptwache neben dem Zorndorfer Tor diente zur Unterbringung gefangener französischer Offiziere, ab 1919 war sie Amtsgerichtsgefängnis.
Nach dem Ersten Weltkriege wurden sämtliche Küstriner Truppenteile aufgelöst. Aus der einst großen Garnison war eine kleine geworden, nur noch bestehend aus Kommandantur, dem 3. Pionier-Bataillon und der 4. Eskadron der 3. Fahrabteilung. Infanterie und Artillerie fehlten in der Reichswehrzeit und kamen erst nach Aufstellung der neuen Wehrmacht im Jahre 1935 wieder in die Stadt. In den in Kasernennähe gelegenen Geschäften ging der Umsatz merklich zurück, Bäckereien und Fleischereien bekamen den Ausfall der großen Truppenlieferungen zu spüren, verschiedene Säle, in denen bei Tanzabenden das „bunte Tuch" vorgeherrscht hatte, blieben nun geschlossen; ihre Besitzer mussten sich nach anderen Verwendungsmöglichkeiten umsehen. Das Lazarett in der Warnicker Straße erwies sich jetzt als zu groß und zu unwirtschaftlich. Die Soldaten konnten mit weit geringeren Mitteln im Frankfurter Lazarett behandelt werden. Die Stadt erwarb daher von der Militärverwaltung das Gebäude und richtete es nach einigen Umbauten als städtisches Krankenhaus ein. Das Schloss, in dem einst das III. Bataillon des Infanterie-Regiments Nr. 48 gelegen hatte, verlor nach der Auflösung des alten preußischen Heeres seinen Charakter als Kaserne. Von 1920 bis 1924 war im ersten Stockwerk das Versorgungsamt untergebracht, ins zweite Stockwerk zog 1922 das Amtsgericht, das sich bis dahin im Rathaus befunden hatte. Nach Auflösung des Versorgungsamtes wurden 1924 der größte Teil der Geschäftsräume der Kommandantur dorthin verlegt sowie das Heeres-Unterkunftsamt und die Heeresfachschule.
700 Jahr Feier 1932
"Vor 700 Jahren geboren,
Zum Fischerdorf erkoren,
Wuchst Du zur Stadt empor,
Mit Festungswall und Tor.
Trotztest der Feinde Jeglichem Stoße,
Es weilte in Dir
Friedrich der Große.
So rollten Jahrhunderte Über Dich hin,
Heut bist Du umjubelt,
Du altes, erblühtes Küstrin."